Ob als Person oder als Firma, als Nation oder als Leader – wir sind Teil von Netzen, in Netzen gefangen und manchmal auch die Urheber von Netzen. Im besten Fall fängt uns das Netz auf, schützt uns und hilft uns. Doch Netze sind nur so gut wie die Absichten derer, die sie kreieren, und nur so stark wie das schwächste Glied. Ein Leben ohne Netz ist nicht mehr vorstellbar, aber kontrollieren wir das Netz oder kontrolliert es uns? Sind wir Mücke oder Spinne?
Netzwerke haben die alten Clan-Strukturen und Stammeszugehörigkeiten längst abgelöst. Während man in die alten Familienstrukturen hineingeboren werden musste und sie demzufolge auch nicht verlassen konnte, sind die neuen Netzwerke oft beliebig. Wir können vielen Netzwerken angehören ohne tiefere Verpflichtung. Es braucht wenig Loyalität und wir können uns auch einfach wieder abmelden. Warum werden Netzwerke geschaffen? Wem helfen sie und was sind die Vor- und Nachteile?
Wir alle brauchen Gemeinschaften, auch jenseits der Familie. Zugehörigkeit ist ein Grundbedürfnis und dabei ist es uns wichtig, uns mit Menschen mit gleichen Werten, gleichen Interessen, vielleicht auch gleichem oder besseren Status zu verbinden. Vom Hasenzüchterverein im Dorf bis zur EU, von Service Clubs bis zu Firmenverbänden sollen diese Gemeinschaften uns Halt geben, uns helfen, uns schützen, unsere Interessen sichern und unsere Möglichkeiten erweitern. Das tun sie auch, so lange alle ihren Beitrag leisten und mindestens gleichviel hineingeben, wie sie herausnehmen: Jeder für alle und alle für jeden. So trägt jeder gemäß seinen Möglichkeiten zum Wohle aller bei. So die Theorie. Das schafft zwar Vorteile für die Mitglieder, benachteiligt aber zwangsläufig diejenigen, die nicht dazu gehören wollen oder können. Mit der Zeit formen sich innerhalb dieser Netzwerke oft privilegiertere Gruppen, die ein kleines Teilnetzwerk formen. Einige Schweine sind halt eben gleicher als andere… Dann spielt sich dasselbe innerhalb des Netzwerks ab. Nur merken wir das immer schnell genug? Tun wir etwas dagegen? Auch werden nicht alle Netzwerke darauf ausgelegt, allen zu dienen oder allen gleichermaßen zu nützen. Anderseits ist es auch nicht immer das Hauptziel aller Mitglieder, das Netzwerk zu stärken und möglichst viel zu geben...
Treten wir Netzwerken bei, dann ist es wichtig, die Qualität «unseres» Netzwerks zu prüfen. Eines der wichtigsten Kriterien dabei ist die Wahlfreiheit. Ist es möglich, das Netz jederzeit wieder zu verlassen ohne wirtschaftlichen oder Reputationsschaden zu erleiden oder sind wir auf Gedeih und Verderb eingebunden?
Ob als Privatperson, als Firma oder als Nation: Netzwerke sind nur so hilfreich und wertvoll wie die Mitglieder. Unterstellen sich diese hohen ethischen Grundsätzen und dem Geist des einander Stärkens und Helfens, dann entstehen Gemeinschaften, die einen Mehrwert generieren für jeden Einzelnen. Sobald sich aber zuviele Trittbrettfahrer und Profiteure einnisten, sobald das Prinzip der Freiheit nicht mehr gegeben ist, sobald moralische Grundsätze Partikularinteressen untergeordnet werden und sobald einige Wenige das Netzwerk auf Kosten der Mehrheit für sich nutzen, dann wird das Netzwerk zu einem unguten Netz, zu einem «Racket» und damit sehr fragwürdig. Leider fragen wir uns viel zu selten, was wir beitragen können, sondern richten uns primär darauf aus, was wir gewinnen können. Doch ist es nicht so, dass irgend jemand die Zeche begleicht? Wer trägt denn den Verlust der unser Gewinn ist?
Seien wir uns bewusst, dass wir diese Balance vom Geben und Nehmen zu einem großen Teil für uns selber entscheiden können, aber auch sorgfältig darauf achten müssen, wie sich die Netzwerke, denen wir angehören, entwickeln! Bleiben diese Netze in schwierigen Zeiten stabil? Ist wirklich jeder für jeden da? Gewinnen alle oder nur wenige? Sind die Aufnahmekriterien und Austrittskonditionen fair und transparent? Sind Input und Output ausgeglichen? Gerade in der jetzigen Zeit wird sich die Qualität der Netzwerke zeigen, sowohl auf Staaten-, wie auch auf Firmenebene und im ganz persönlichen Bereich.
Schaffen und pflegen wir also «gute» Netzwerke, welche allen Mitgliedern nützen, ohne denjenigen zu schaden, die nicht dazu gehören. Kreieren wir Gemeinschaften, die durch ihre Stärke selbst Außenstehenden dienen. Viele der Netzwerke, die wir geschaffen haben, sind leider zu zahnlosen, bürokratischen Gebilden geworden. Andere bereichern sich auf Kosten von – meistens schwächeren - Nichtmitgliedern. Andere sind Rackets, die wir nie mehr verlassen können ohne einen hohen Preis zu zahlen. Es ist Zeit, dass wir solche Netze auflösen und mit etwas Besserem ersetzen! Doch erwarten Sie auch nicht zu viel von guten Netzwerken, denn so lose Gemeinschaften sind in aller Regel auf Schönwettersituationen ausgerichtet und nicht sehr zuverlässig in Krisensituationen, weil die Beziehungen zwischen den Netzwerkpartnern normalerweise auch nicht sehr eng sind. Extremeispiele sind hier die Social Media Networks. Wirkliche Freundschaften und enge Familienbande sind da in der Regel tragfähiger.
Könnte es sein, dass wir uns im Äußeren zusammentun, ohne auch im Inneren verbunden zu sein? Spüren wir die Verbundenheit in unseren Herzen und durch unseren gemeinsamen Purpose oder schließen wir uns zu reinen Interessensgemeinschaften zusammen? Tragen wir Verantwortung für alle Zugehörigen oder geht es uns mehr um den eigenen Nutzen? Interessieren uns die Nöte und Bedürfnisse der anderen oder suchen wir nur Vorteile für uns selber? Warum sind wir Teil dieser Netzwerke? Was geben wir anderen durch unsere Mitgliedschaft? Was geben wir der Welt mit unserem Netzwerk?
Eigentlich sind wir alle miteinander verbunden. Unser Planet ist ein riesiges, in sich stimmiges, interdependentes und hochkomplexes, interaktives Netzwerk. Nicht nur unter den Menschen, sondern auch mit den Tieren, den Pflanzen und den Elementen. Keines dieser Reiche könnte ohne die anderen existieren. Je entwickelter und spezialisierter wir sind, desto abhängiger sind wir auch. In den alten Kulturen war dieses Wissen noch sehr präsent und damit auch die Dankbarkeit für die Beiträge der anderen Reiche sehr ausgeprägt. Heute sind wir der Ansicht, die Krone der Schöpfung zu sein, und wir haben uns die anderen Reiche unterworfen. So behandeln wir sie auch: wir nutzen sie, oft lieblos, meistens respektlos und nie gleichberechtigt. Was geben wir zurück? Geben wir genug zurück?
Es ist essenziell, dass wir uns alle als gute Netzwerkpartner beweisen und nach unseren Möglichkeiten beitragen, die Netzwerke, denen wir angehören zu stärken, sie attraktiv zu machen, sie nähren und auf dem höchsten ethischen Niveau halten. Vor allem dieses große, unglaublich eng und komplex geknüpfte Netzwerk, das wir unsere Welt nennen….. jeder und jede an ihrem ganz eigenen Platz, im Wissen, dass dies eine positive Auswirkung hat im ganzen Netz, auch wenn wir sie so direkt nicht sehen, denn was wir aussenden kommt auch zu uns zurück. Seien wir weder Mücken noch Spinnen, sondern Kooperationspartner für eine lebenswerte Zukunft, in welcher für alle Platz ist und für alle gesorgt ist.
Christina Kuenzle
Executive Coach und Symbolon-Spezialistin, Zürich
Bildnachweis: Pixabay
Dieser Artikel ist im April 2020 im Businessmagazin Ladies Drive erschienen.
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