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Autorenbildchristinekranz

Vom EGO zum globalen Bewusstsein

Aktualisiert: 18. März 2020

„Wir können die Probleme nicht mit dem gleichen Bewusstsein lösen, mit dem wir sie geschaffen haben.“


Dieses Zitat von Albert Einstein ist in unserer Zeit wesentlicher als je zuvor. Die brennendsten Probleme, mit welchen wir zurzeit konfrontiert sind, fühlen sich an wie Black Boxes: wir haben keine Ahnung, wie sie anzugehen sind. Frauen ins Management zu bringen hilft auch nicht, denn das gegenwärtige Bewusstsein auch der Frauen reicht bei weitem nicht aus, um nachhaltige, tragfähige Lösungen zu schaffen. Oder doch?


Viele Missstände, welche uns das Leben schwer machen – Klimaprobleme, Nahrungsmittelverteuerung, Umweltverschmutzung, kriegerische Auseinandersetzungen, Religionsfanatiker oder ökonomische Turbulenzen im Finanzbereich und der Realwirtschaft haben wir mit unserem (gesunden?) Egoismus selber verursacht oder zumindest nicht verhindert, weil wir uns zwar sehr gewissenhaft um unser eigenes Wohlergehen kümmern, Stakeholder, mit welchen wir keine direkten Interessen teilen, jedoch völlig ausblenden. In einer Welt zu leben, in welcher es in erster Linie um sich selber geht, ist schlussendlich für keinen mehr lebenswert.


Alle für einen, aber nicht einer für Alle!

Wussten Sie, dass 1 % der Weltbevölkerung über 50 % der Gesamtressourcen besitzt und kontrolliert während den „untersten“ 90 % lediglich 1 % der Weltressourcen gehören? Dass dieses eine Prozent alles daran setzen wird, in absehbarer Zeit 95 % der Weltressourcen zu kontrollieren, dürfte klar sein. So werden die restlichen 90 % „versklavt“, um diesem einen Prozent zuzudienen. Eigentlich ist das jetzt schon Realität: überlegen Sie nur, wem Ihre Liegenschaft gehört, vielleicht auch Ihr Auto und wie viele Monate Sie für Renteneinkommen der Besitzenden, Steuern und Zinsen arbeiten pro Jahr. Die Bilanz veröffentlichte kürzlich, dass im Jahr 2014 die 300 Reichsten in der Schweiz wohnenden Menschen pro Person um 80 Millionen Franken zugelegt haben, während die Durchschnittslöhne einmal mehr gesunken sind. Kinder, Tiere, Arme und Unterprivilegierte und unser Planet selber können sich keine Lobbyisten leisten und werden so immer mehr zu Verlierern. Möglich, dass es auch in Europa wieder einmal eine Revolution gibt, weil so viel Aggression aufgebaut wird von denjenigen, die nicht am Leben teilnehmen können und die keinen Ausweg mehr sehen. Arabischer Frühling, Terrorismus, Kriege und Unruhen sind Ausdruck von blinder Wut aus Hilflosigkeit – aber auch hier sind die Beweggründe schlussendlich egoistisch: Jede und jeder möchte, dass es ihm/ihr besser geht.


Die Entwicklung des Bewusstseins von 1.0 bis 4.0

Otto Scharmer und Katrin Kaufer haben in ihrem wunderbaren Buch „Leading from the emerging future“ die Evolution durch vier verschiedene Bewusstseinszustände und deren Auswirkungen auf die verschiedenen Lebenssysteme untersucht und die Evolution aufgezeigt.


1) Instinkt und Anarchie: Das Leben nach dem Lustprinzip

In einer ersten Phase des Bewusstseins – nennen wir es 1.0 – sind die Menschen nur darauf ausgerichtet, ihre tägliche Nahrung zu beschaffen und einen sicheren Platz zu haben. Gemeinschaften werden von Anarchie geprägt – der Stärkere hat die Oberhand und isst zuerst. Was übrig bleibt wird der Stärke nach weitergereicht, die Schwächsten überleben nicht. Es wird weder geplant, noch Verantwortung übernommen. Erste kleine Gruppen schliessen sich zusammen, bauen gewisse Regeln, wer sich nicht daran hält wird verstossen.


2) Macht und Egoismus pur

In größeren Verbänden taugt das nicht mehr und so werden Klassen geschaffen und Spezialisierungen entstehen. Damit wird das Bewusstsein 2.0 geschaffen. Es werden Strukturen entwickelt, in welchen sich die Mächtigen behaupten können und die Andern unterworfen werden. Die Interessen der Starken werden systematisch gesichert und befriedigt durch Gesetze und Philosophien, welche einigen Wenigen Vorteile verschaffen und die Kosten der Mehrheit übertragen. Kommt Ihnen das bekannt vor? Die meisten feudalen Systeme beruhen auf Bewusstsein 2.0: Wer sich gegen diese Systeme auflehnt wird verfolgt, gestraft und ausgegrenzt. Das Paradigma lautet: „Wenn jeder für sich sorgt, dann ist für alle gesorgt“.


3) Sozialisierung

Irgendwann werden die Auswüchse dieser Denke und dieses Handelns ziemlich offensichtlich und unerträglich. Die Sensibleren und Intelligenteren in solchen System wehren sich und so entstehen Hilfsorganisationen, Stiftungen, Auffangbecken und Regeln, welche dafür sorgen sollen, dass es den Randständigen nicht ganz so arg gehe und sie etwas abbekommen von den Rechten und dem Reichtum der Wohlhabenden. Das Bewusstsein 3.0 ist zwar immer noch egoistisch, aber mit etwas weicheren Konturen. Die Systeme sind erträglicher, weil Härtefälle unterstützt werden. Die meisten europäischen Staaten leben 3.0 mit einem gewissen Einbezug weiterer Kreise von Stakeholdern, doch wir geben lediglich aus dem Überfluss, ohne wirklich zu teilen. Ausserdem bleiben auch im Bewusstsein 3.0 noch grosse Teile des Oekosystems unberücksichtigt.


4) Ganzheitliches Denken und Verantwortung

Hier müsste die grundlegende Veränderung des Bewusstsein ansetzen: Erst wenn wir aus der Haltung heraus denken, fühlen, sprechen und agieren, welche die Gesamtheit unseres Planeten einbezieht, werden wir es schaffen, neue Lösungen zu generieren, welche die gegenwärtigen Probleme bewältigen. Heisst, dass im Bewusstsein 4.0 sämtliche fühlenden Wesen, wie auch der Planet selber jederzeit in unserem Herzen und in unserem Kopf präsent sind. Es wird uns aus dieser Perspektive nicht mehr möglich sein, Dinge, Pflanzen, Tiere oder Menschen schlecht zu behandeln, weil uns ihr Schmerz und ihr Zustand genau so berührt, wie wenn es uns selber beträfe, was es ja auch tut, wenn wir ein ganzheitliches Bewusstsein haben. In dieser hohen Achtsamkeit und in diesem, im wahrsten Sinne allumfassenden, Bewusstsein können wir nur noch weise und liebevoll sein, weil wir im Innersten spüren, dass wir keinen Schritt weiterkommen, wenn nicht das ganze System einbeziehen. In jedem Moment und überall wird uns dieser Zustand des ganzheitlichen Bewusstseins begleiten.


Was bringt mir das?

Falsche Frage! Sie würde nur zeigen, dass Sie immer noch im Bewusstsein 2.0 zuhause sind. Was es bringt ist, dass die Welt durch Ihre Präsenz ein kleines bisschen besser, oder zumindest nicht schlechter wird. Ein kleines bisschen schöner, angenehmer, lebendiger und gesünder. Wo immer Sie vorbeikommen geht es den Menschen, Tieren, Pflanzen und Dingen etwas besser, weil Sie ihnen aus Ihrem Bewusstsein heraus Gutes tun. Ihnen bringt es die Gewissheit, dass Sie Ihren Teil dazu beigetragen haben, dass unser Planet mit allem was in diesem Ökosystem existiert, eine größere Chance hat, zu überleben, denn in dieser schicksalshaften Zeit geht es genau darum.


Veränderung fängt im Innersten an

Was für die Gesellschaft gilt, gilt auch für jede(n) Einzelnen: im Bewusstsein 1.0 leben wir einfach instinktiv und nach dem gegenwärtigen Lustprinzip: Gut ist, was Befriedigung verschafft. Im Bewusstsein 2.0 gestalten und optimieren wir unser Leben: Gut ist, was uns hilft, stärkt und gut tut. Wir verwirklichen und entwickeln uns und sichern unsere Pfründe ab. Wir denken etwas langfristiger und breiter. Auf Stufe 3.0 beziehen wir unsere Familie und Freunde ein, lassen also einige Stakeholder an unserem Wohlstand und Wohlbefinden teilhaben. Erst im Bewusstsein 4.0 werden wir für Alle und Alles sehr achtsam, liebevoll und präsent sein. So wird es in unserem Umfeld etwas sauberer, farbiger, angenehmer und heller. So wird es allen Wesen und Dingen in unserem Einflussbereich ein kleines bisschen besser gehen, egal wie kurz der Kontakt auch sein mag. Kleine Dinge: Menschen anlächeln, aufmuntern, trösten und unterstützen. Lieb sein zu Tieren und spüren, was sie brauchen. Pflanzen pflegen, Räume lüften, Abfall wegräumen, sauber machen, Wasser sparen, achtsam einkaufen. Grosse Dinge: Zusammenhänge verstehen, Verständnis wecken, Empathie zeigen, sich für ganzheitliche Systeme unter Berücksichtigung aller Stakeholder einsetzen, Schwache schützen... es gibt so viele Möglichkeiten, die Welt zu verschönern und einen besseren Platz werden zu lassen. So helfen wir alle einander, ein besseres, gesünderes und freudigeres Leben zu schaffen und plötzlich ist das Boot nicht mehr ganz so voll, dafür ist das Leben etwas voller an Freude, an Interesse und an Zuneigung.


Leider gibt es dafür keinen 5-Punkte-Plan, denn das ist fundamentale, minutiöse tägliche Arbeit an unserem Bewusstsein, an unserer Achtsamkeit und an unserer Persönlichkeit, die jede Minute passiert oder halt eben nicht passiert, denn diese Entwicklung kann nicht verlangt, sondern nur aus einem inneren tiefen Bedürfnis heraus getan werden.


Christina Kuenzle

Symbolon-Spezialistin, Zürich


Bildnachweis: Wanderer über dem Nebelmeer, 1817, Caspar David Friedrich, Kunsthalle Hamburg



Dieser Artikel ist im Businessmagazin Ladies Drive erschienen.


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